Interview mit Günter Schmidinger
Text: Andy Radolf
Fotos: EJ Kitt, Andy Radolf
 
 

Verletzte Fahrer um ein Interview zu bitten ist mir echt ein Graus. Erstens hört man was man sich alles weh tun kann, wird selbst daran erinnert an unzählige Knochenbrüche und die Zeiten die man in Krankenhäuser verbracht hat ... Und Zweitens ist das gerade bei schweren Verletzungen immer so eine Grad-Wanderung in solchen Situationen den richtigen Ton zu treffen. Erwin Machtlinger hat mal seine Knochenbrüche gezählt und ist auf 55 gekommen! Und damals hat er seine Karriere noch gar nicht beendet gehabt, das müsst ihr euch mal vorstellen. Die Archäologen die Erwin im Jahre 3.128 mal ausbuddeln werden ehrfürchtig den Pinsel senken und sich denken "Das war sicher ein grosser Krieger..." Naja, Erwin hat ja auch eine 500er CR zu bändigen gehabt, die hat einen schon manchmal abgeworfen...  ;-)
 

Günter Schmidinger rockt Imbach
 

Und dennoch, gerade bei solchen Unfällen muss ich oft an MX-Versicherungsfachmann Peter Klamminger's Worte denken welcher mir mal gesagt hat:"Während Sportler anderer Sportarten bei schlimmen Verletzungen schon fast auf eine Invalidätsrente hinzielen denken die Motocrosser nur daran möglichst schnell wieder auf dem MX-Bike zu sitzen und wieder fahren zu können." Peter hat recht, er weiß dies auch aus eigener schmerzvoller Erfahrung. Egal wie schlimm die Verletzung ist, MX ist eine Sucht und der Dirt unsere Droge die man sich möglichst schnell wieder reinziehen möchte sobald man das Krankenhaus verlassen hat. Ich glaube wir sind anders ... wir sind Motocrosser ;-)
 

Als EJ Kitt mir nach dem Race in Seitenstetten den Unfall von Günter Schmidinger beschrieb konnte man bereits das Schlimmste erahnen. Danach machten einige Gerüchte die Runde dass es vielleicht sogar das komplette Aus für Günter im Bereich Motorsport bedeuten könnte. Günter:"Die Gefäßverletzungen im Knie waren derart schlimm, es war knapp, ich hätte dabei auch den Fuss verlieren können..."

Aber ok, Entwarnung, es ging nochmal gut und man darf sich Hoffnung machen dass er im nächsten Jahr zumindest seinen Job als Testfahrer bei Husqvarna wieder aufnehmen wird können. Günter:"Ob das Knie aber jemals wieder so gut werden wird dass ich auch wieder Rennen fahren kann ... daran denke ich noch nicht." Aber lest selbst ...
 

Günter, wie ist das alles passiert?
Günter:"Es war beim Training am Rennsonntag in Seitenstetten. Es war generell sehr dreckig und mir unverständlich dass man bei dem Dreck in der Früh, ohne die Strecke vom Vortag herzurichten, das Training gestartet hat. Die Rillen waren da natürlich noch voll mit Dreck, der Untergrund darunter aber sehr hart. Mit dem losen Schlamm drüber war das extrem rutschig. Ich bin in dieser Kurve etwas weit an den Streckenrand rausgekommen und bei dem losen Gatsch ins Rutschen gekommen. Ich habe mir dabei nicht viele Gedanken gemacht, dachte mir ich kann das Vorderrad leicht abfangen und wieder auf die Strecke zurück reinziehen. Blöderweise ist die Strecke aber an dieser Stelle etwas abgefallen, das hat man bei dem Gatsch nicht gesehen. So ist mir das Vorderrad weggebrochen und ich bin dann in dem Eisenbahn-Schweller drinnen gesteckt der als Streckenbegrenzung vorhanden war. Es ist blöd gelaufen dass ich genau diesen Schweller erwischt habe und dann mit der Gabel da drin gesteckt bin ... der Fuss war dann unter dem Lenker drinnen und das war es dann."

An welcher Stelle ist denn das passiert?
Günter:"Das ist in der Kurve vor dem Sprung bergab Richtung Start passiert, eine 90 Grad Rechtskurve."

Was ist beim Knie alles verletzt?
Günter:"Es war eine Knie-Luxation, es hat mir also das Knie ausgehängt. Der Fuss ist bei dem Sturz unterm Lenker gesteckt und ich bin quasi über dem Lenker drüber gehangen. Die Zehen des Fusses haben quasi meine Rippen berührt. Dadurch hat es mir also das Knie ausgehängt."

Was ist denn alles kaputt im Knie?
Günter:"Das Gefährliche daran war die Luxation, hinter dem Knie geht ja die Schlagader runter und diese Gefäße sind beschädigt worden. Ich habe dabei aber noch Glück gehabt weil bei so einer Verletzung kann man auch den Fuss verlieren. Die erste OP war also mal das Knie einzurenken und die Gefäße wieder herzustellen damit die Durchblutung des Fusses gesichert ist. Das ist auch der Stand der bis jetzt gemacht worden ist. Mehr war medizinisch bis jetzt nicht möglich."

 
 

Ist die erste OP noch am gleichen Tag passiert?
Günter:"Ja, ich wurde mit dem Hubschrauber nach Amstetten geflogen. Als ich dort eingeliefert wurde war der Fuss schon kalt und nicht mehr durchblutet, es hat dann also sehr schnell gehen müssen mit der OP."

Weitere OP's hattest du bis jetzt noch nicht, oder?
Günter:"Es wäre eine weitere OP in Innsbruck bei Dr. Fink, welcher auch die ÖSV Schifahrer betreut, geplant gewesen. Es hat sich aber bei der Untersuchung dort herausgestellt dass es noch zu früh ist und ich jetzt noch 6-8 Wochen warten muss bis man das Knie ein weiteres Mal operieren kann."

Was wird dann noch operiert?
Günter:"Bis auf das innere Seitenband ist ja alles kaputt. Die Kreuzbänder sind kaputt, ein Knochen ist eingedrückt usw. Es ist auch die äussere Sehne beschädigt welche man normalerweise als Ersatz für das Kreuzband hernimmt. Sie sagten zu mir sie müssten erst ein paar Ersatzteile bestellen, ich muss also auf eine Spendersehne warten. Es muss noch dazu abgewartet werden bis die Gefäße besser verheilt sind und die OP 
überhaupt erst möglich ist."

Günter in Imbach:"Komisch ... wo san denn de nur alle?!?!?"
 

Bist du jetzt zuhause oder im Spital?
Günter:"Ich bin zuhause in Waldneukirchen und seit dem Unfall eigentlich nur gelegen. Mit den Krücken zu gehen ist mir noch nicht möglich, auch das Aufstehen nicht  da es von den Gefäßen her noch nicht geht. Sobald der Fuss nach unten hängt ist der Druck auf die Nerven und Gefäße zu gross. Wenn ich wohin muss geht es nur mit Rollstuhl."

Was hast du dir denn gedacht in den Sekunden nach dem Sturz?
Günter:"Als ich am Boden gelegen bin und mich umgedreht habe, habe ich den Fuss gesehen, sofort rausgezogen unterm Lenker und dann auch sofort gemerkt dass der Fuss nur mehr unter der Hose dran hängt. Da habe ich gewusst das Knie ist total kaputt und ja ... dann war nur mehr wichtig den Fuss zu halten und zu stabilisieren. Die Schmerzen waren  unerträglich."

Wie sieht denn die Zukunft aus. Denkst du bereits an die nächste Saison oder nur zur nächsten OP?
Günter:"Ich kriege jetzt demnächst eine Spezialschiene verpasst und eine Physiotherapie damit ich das Knie für die OP gut hinbekomme. Für das nächste halbe Jahr werde ich sicher damit zu tun haben. Wenn das Knie dann wieder ok ist, dass ich zumindest wieder fahren kann, bin ich schon zufrieden."

Wirst du den Rennsport weiter betreiben oder beschäftigt dich auch der Gedanke an ein Ende im aktiven Rennsport?
Günter:"Ich bin ja angestellt bei KTM als Testfahrer und das würde ich schon gerne wieder weiter machen. Ich will jetzt nichts übertreiben oder zu schnell machen aber wenn es wieder geht würde ich den Testfahrer-Job gerne weiter machen. Ob Rennsport dann wieder möglich ist kann ich jetzt noch nicht sagen. Bis dahin vergeht noch eine lange Zeit und dann muss ich eh erst mal langsam anfangen."
 

Petr Smitka:"Wieso fährt der so schnell ...???" - 
Günter Schmidinger:"Wieso fahren die so langsam ...???" - 
Mani Obermair:"%$§X%&$ Des is mei Heimrennen, in bin eigentlich do da KING ...!!!"
 

Was machst du den ganzen Tag über?
Günter:"Naja, liegen und Fernsehen. Und dann habe ich auch noch eine Playstation geliehen bekommen, aber noch nicht angesteckt, muss ich demnächst mal machen, da ist auch das Spiel MXGP dabei."

Möchtest du dich noch bei jemanden bedanken?
Günter:"Danke an den Rückhalt von der ganzen Entwicklungsabteilung, meinen Vorgesetzten und Testfahrerkollegen. Danke auch an meine Sponsoren wie Husqvarna Österreich. Die Saison ist super gelaufen, ich habe 7 Läufe gewinnen können. So wie es aussieht werde ich auch nicht weiter als bis an die fünfte Stelle in der Gesamtwertung zurück fallen was in Anbetracht dessen dass ich die halbe Saison ausfalle gar nicht mal so schlecht ist. Danke auch an meine Freundin welche die grösste Stütze in meinem Team ist. Jetzt brauche ich sie fast noch mehr als bei den Rennen."