2022er
Yamaha Tenere 700


Vor Kurzem hatten wir Gelegenheit die neuen Yamaha 700er Tenere's zu testen. Dieses Modell schlug seit der Markteinführung vor einigen Jahren ja quasi ein wie eine Bombe. In Deutschland wurde heuer die 700er Tenere sogar an 5.ter Stelle aller neu zugelassenen Motorräder im ersten Halbjahr angeführt was uns ehrlich gesagt nicht verwundert denn ...

1. ist die Tenere seit der Markteinführung in den 80ern des vorigen Jahrtausends einfach eine Legende
2. bekommt man mit diesem Bike den idealen Allrounder in unseren Breitengraden
3. ist der Preis von 11.399,- Euro für das Einstiegsmodell, der Standard-Variante, ein absoluter Hammer


Die Standard Variante der 700er Tenere

Das gesamte Drumherum-Paket welches man mit dem Motorrad geboten bekommt ist wahrscheinlich der ausschlaggebendste Grund wieso die Geldtasche bei den Käufern so locker sitzt. Mit knapp über 200 kg vollgetankt ist sie um einiges leichter als die 1200er Varianten anderer Reiseenduros und dadurch auch viel wendiger auf kurvenreichen Strecken. Man findet mit den 73 PS des CP2 Motors auch locker das Auskommen, egal ob auf kleineren oder grösseren Touren.

Drei 700er Tenere Varianten
Die 3 Varianten der 700er Tenere sind die Standard-Variante, die Rallye-Variante mit feinen Extra's, sowie die World Raid Variante mit einem eindrucksvollen 23 Liter Tank. Die 3 unterscheiden sich hauptsächlich in der Ausstattung, Motor und Fahrwerk bleiben bis auf die World Raid ziemlich gleich. So hat die Rallye Variante gegenüber der Standard Version einen Akrapovic Auspuff, einen grösseren Motorschutz, höherwertigere Hebeln, Alu-Kettenschutz etc. und natürlich auch ein anderes Design.

Die World Raid unterscheidet sich von den anderen beiden Varianten hingegen nicht nur im Bezug des riesigen Tanks, hier wurde ein imposanter 23 Liter Tank verbaut, sondern auch in einem höheren Fahrwerk, farbigem Display und anderen Features ähnlich der Rallye Variante.


Die Wüstenkönigin auf der steirischen Alm ... 700er World Raid Edition

Bevor wir zur Story unserer Fahrerlebnisse kommen, erst mal noch einige technische Daten...

Der Tenere Zweizylinder CP2 Motor liefert wie schon erwähnt 73 PS, das Fahrgewicht beträgt bei Rallye und Standard Version vollgetankt 204 kg, bei der World Raid 220 kg. Die Sitzhöhe ist mit 87,5 cm nicht gerade für kleine Leute bemessen. Es gibt aber neben einer niedrigeren Sitzbank auch noch die Möglichkeit durch eine Tieferlegung der Umlenkung die Tenere einige Zentimeter niedriger zu setzen. Denn ... so majestetätisch es auch ist auf so einem hohen edlen Pferd über die Bergpässe zu reiten hat die mögliche Tieferlegung der Tenere für unter 1,80er Fahrer durchaus Sinn. Man erspart sich den Zappel-Philipp an Kreuzungen und unebenen Parkplätzen. Aber wenn sie mal rollt, dann merkt man die Sitzhöhe natürlich nicht mehr. Der CP2 Motor hat sich in der Vergangenheit auch als sehr zuverlässig und langlebig erwiesen. Auf eine Hochzüchtung der PS-Leistung wurde bei diesem Motor bewusst verzichtet und es würde uns nicht wundern wenn in einigen Jahren 700er Tenere's mit über 100.000 km auf dem Gebrauchtmarkt angeboten werden.

Wieso so hoch?
Die Tenere wurde im Gegensatz zu anderen Strassen-Enduro's sehr stark in Richtung Adventure Reisen ausgerichtet und da machen hohe Federwege und viel Bodenfreiheit durchaus Sinn. Wenn man z.B. Bachbette durchquert oder durch tiefe Spurrillen fährt ist man über jeden Zentimeter dankbar der zwischen den Bodenunebenheiten und der Motorschutzplatte liegt. Es wurde bei der Konzeption dieses Motorrades weitaus mehr Augenmerk auf Handling im Gelände gelegt wurde als bei Mitbewerbern und ein möglicher Wüsteneinsatz wäre damit sicher kein Problem.

Aber genug der Einleitung ... kommen wir endlich zum Fahrbericht...

Yamaha Tenere 700 Standard
Die Standard Version gibt es in Icon Blue und Midnight Black. Beide Farbvarianten scheiden oft die Geister. Die einen Tenere Fans schwören auf das noble Midnight Black, für die anderen kommt nur das sportlichere Icon Blue in Frage. Der erste Eindruck vom Bike? Mann, die ist echt hoch!! Mit 50+ muss man beim Aufsteigen schon etwas Schwung holen. ;-) Und habt ihr auch noch einen natürlich angefütterten und schwer abbaubaren Airback vorne auf euren Bauchmuskeln ... dann nehmt ihr am Besten auch noch etwas Anlauf um euch auf das Bike zu wuchten ;-)


Das sind genau die Strassen die eine Tenere liebt ...

Sitzt man dann aber mal oben fühlt man sich sofort wohl. Und wenn das Bike anrollt spürt man die Sitzhöhe sowieso nicht mehr, ist im Gegenteil sogar sehr viel angenehmer gegenüber anderen Reiseenduros wo man fast wie in einer Chopper innen drinnen sitzt.

Der Lenker der Standard Version kam mir im Rückblick sehr breit vor, etwas breiter als der bei der Rallye-Edition. Ich kann mich auch täuschen aber gefühlsmässig war für mich hier ein Unterschied bemerkbar. Das elektronische Display gibt die kmh, Drehzahl und Ganganzeige in klaren Angaben sehr gut lesbar wieder und ist verhältnismässig weit oben angebracht. Man braucht beim Fahren also nur ein wenig den Kopf nicken und hat alles im Blick was sehr angenehm ist.

Auf den ersten Metern fällt einem sofort die ausgezeichnete Balance, die spürbar gute Gewichtsaufteilung und die Wendigkeit des Motorrades auf. Bevor es Richtung Kalte Kuchl ging wollte ich erst mal schauen was das Bike so hergibt. Bei beachtenswerten 196 kmh war dann Schluss. Die Tenere wollte trotz gutem Zureden die 200er Grenze partout nicht überschreiten. Aber ok, erstens war ich für sie ja noch ein fremder Reiter und 196 kmh sind sowieso mehr als genug und nicht unbedingt die Reisegeschwindigkeit die man für gewöhnlich Richtung Südtirol anschlägt. Auch werden die Blitzer heutzutage immer unverschämter. Man zahlt neuerdings sogar bei 3 kmh Überschreitung im Ortsgebiet hat mir jemand erzählt! Absolute Frechheit meinen wir, wo soll das noch hinführen ...

Was einem am Motor sofort auffällt ist der starke Drehmoment des Zweizylinders in jedem der 6 Gänge von unten raus. Sie dreht dann auch später noch von der Mitte weg sehr gut nach oben aber der Hammer fällt bis zum mittleren Bereich am Stärksten. Typisch Zweizylinder halt wie ein Kumpel von mir meinte dessen 600er 4-Zylinder Naked Bike ich auf die Pack rauf versäbelte. Immer diese Ausreden, ich habe mit der 700er Tenere nicht nur das bessere Bike gehabt, ich bin auch sowieso der bessere Fahrer aber ok ... lassen wir ihn, wir wollen ja noch weiterhin Freunde bleiben ;-)


Mit Jean und Pulli im Hochsommer mit der Tenere die Berge abzufahren ... echt ein Genuss!

Unglaubliches Handling in engen Kurven, fast Supermoto-Style
Was mich aber in den ersten Kurven so richtig vom Hocker haute ist die extreeeeeeeemst gute Bodenhaftung der Offroad-Reifen!! Halleluja!! Das ist absolut unglaublich was man mit der 700er Tenere damit für extreme Schräglagen erzielen kann!!! Beim ersten Stopp musste ich mal nachsehen ob da nicht doch ein Supersportreifen montiert ist und ich mich beim ersten Sichtkontakt getäuscht habe. Man hat schon in den ersten langgezogenen Kurven Richtung Kalte Kuchl das Gefühl man könnte mit den Knien schleifen! Kein Schmäh! Ich verstehe das bis heute noch nicht wie gut der Scorpion von Pirelli mit der 700er Tenere zusammenspielt und wie der Gummi auf dem Asphalt klebt. Oder ist es die Gewichtsaufteilung durch die hohe Sitzposition der Tenere dass einem soviel Vertrauen in die Schräglage gibt? Keine Ahnung aber es ist ein absolutes Erlebnis und man fährt die 700er Tenere auf Asphalt fast schon mehr wie eine Supermoto als wie eine Reiseenduro. Ich hätte es nicht für möglich gehalten...

Beim zweiten Stopp und Reifenkontrolle haben am Hinterreifen gerade mal noch 3-4 mm bis zum Aussenbereich gefehlt! Und das schon auf den ersten 100 km der Testfahrt und mit einer Strassenenduro! Leute, ich weiß nicht wie das möglich ist aber diese Haftung habe ich noch bei keiner anderen Strassenenduro so erlebt, ich rätsel da heute noch drüber. Später erzählte mir Yamaha Cheffe Markus Pohl beim Zurückbringen dazu folgendes:"Da hat sich auch reifentechnisch irrsinnig viel weiterentwickelt. Die Strassenenduro-Reifen von heute kann man mit den Strassenenduro-Reifen vor einigen Jahren nicht mehr vergleichen."

Die Wendigkeit durch die gute Gewichtsaufteilung, die kaum zu glaubende Haftung des Pirelli Scorpions und der drehmomentstarke CP2 Motor sorgten schon mal für einen ungemeinen Fahrspass von Gutenberg, über die kalte Kuchl, bis Richtung Steiermark. Die ersten Naked Bikes auf die ich aufgelaufen bin und vor mir her trieb waren nicht gerade glücklich als sie in den Rückspiegel schauten.

Dennoch, eines habe ich schnell bemerkt. Speziell das Anbremsen bergab in enge Kurven hinein sollte man nicht unterschätzen. Hier drückt einem die Tenere aufgrund des hohen Setups doch etwas stärker raus als eine tiefer gelegene Naked. 2-3 x war es dann fast soweit und der Wald kam schon sehr nah. Hier ist man gut beraten etwas vorsichtiger zu Werke zu gehen auch wenn die Vorderbremse extremes Vertrauen vermittelt.

In der Kurve nach dem Gasthaus auf der Kalten Kuchl haben zufälligerweise ein paar Biker eine Videosession gemacht. Bergab kam mir in dieser Kurve in beachtenswerter Schräglage ebenfalls eine 700er Tenere entgegen während ihn sein Kumpel gefilmt hat. Echt ein Zufall! Und ja, fast hätten wir uns vereinigt ... nur was wäre dann rausgekommen? Eine kleine 50er Tenere? Tja, so blöd kann's oft hergehen ...

Sitzkomfort, Fahrtwind etc.
Die Sitzbank ist sportlich hart und wahrlich kein Wohnzimmersessel. Für die ersten 2-3 Stunden die man sportlich fährt ist sie ideal aber dann ... ja, der Allerwerteste kann nach einigen Stunden schon ganz schön schmerzen. Für längere Autobahnstrecken, Verbindungsetappen zwischen den Routen, sind so 140-150 kmh am Tacho sehr angenehm zu fahren. Die Tenere bietet vorne ein ziemlich hohes Windschild welches die Luftverwirbelungen schön abhält, speziell wenn man mit einem Strassenhelm fährt. Mit einem Offroadhelm mit Sonnenschild hat man leichte Verwirbelungen wenn man eine Körpergrösse von über 1,80 hat. Hier machen ein paar Zentimeter sehr viel aus und ich bin mit meinem Shoei VFX MX-Helm auf Autobahnabschnitten immer eher etwas gebückter als normal gefahren um dem Luftwirbel zu entgehen. Mit einem Strassenhelm hingegen merkt man den Wind auch bei 160-170 kmh kaum, da kann man ruhig aufrecht und
bequem sitzen.

Offroad-Einsatz mit der 700er Standard
Es zog uns natürlich sofort ins Gelände ... Wir haben die Standard Version sehr viel auf Schotterstrassen bewegt und ich muss sagen es machte damit richtig Spass. Der Pirelli Scorpion bietet am Schotter natürlich nicht so guten Grip wie ein Stollenreifen aber es reicht aus um bei entsprechender Fahrweise immer Traktion am Hinterrad zu haben. Die 73 PS schieben gewaltigst an und ich bin das Bike eher lieber mit untertouriger Drehzahl auf Schotter gefahren. Kommt der Motor mal auf Schotter nämlich in den höheren Bereich dann zündet quasi eine Rakete. Die mächtige Kraftentfaltung kann man mit Einzylinder Hardenduros nicht vergleichen und die nächsten Kurven kommen sehr schnell näher. Es macht auch mächtig Spass die Tenere auf Schotter um die Kurven driften zu lassen, speziell die langgezogenen, und man kann das Hinterrad beim Drift sehr gut unter Kontrolle halten.



Bei engen Kurven neigt das Hinterrad aufgrund des starken Drehmoments und der 200 kg eher ruppig durchzudrehen. Ich muss gestehen, ich habe es auch hier 2-3 Mal fast übertrieben und wäre fast 1 x im Wald, 1 x auf einer Kuhweide und 1 x im Gebüsch damit gelandet. Ihr hättet den Blick der interessierten Kuh sehen sollen als ich auf sie zugesteuert bin. Eye, da ist es mir unterm Peppi ganz schön heiss geworden aber man wird einfach süchtig danach das Hinterrad immer wieder durchdrehen zu lassen. Übrigens, Peppi kennt ihr nicht? Schämt euch! Den Ausdruck kennen nur Steirer, eh klar ... Ich habe mich auch selber immer wieder ermahnen müssen "Das ist keine Hardenduro, denke an das Gewicht dass dich rausschiebt..." Aber immerhin, die Tenere macht auf Schotterstrassen nicht viel weniger Spass als eine Einzylinder Hardenduro.

Thema ABS
Ich gebe es zu ... ich gestehe... ja, man wird mich schimpfen ... aber ... ich war immer ein Gegner von ABS. Obwohl selbst Ringfahrer darauf schwören und es für den normalen Motorradfahrer sicher 100%ig nützlich ist usw ... Aber wenn man viele Jahre MX, Hardenduro etc. gefahren ist, ist es echt ein unangenehmes Gefühl wenn das Rattern am Hinterrad beginnt. Wenn euch ein blockierendes Hinterrad nichts Unangenehmes ist, sondern eher ein nützliches Feature für Extremsituationen, gibt es jetzt die gute Nachricht ... man kann das ABS auch wegschalten. Punkt, alles dazu gesagt ;-)


Auf zur Brettljause

Motor, Drehmoment
Die 6 Gänge lassen sich sehr gut hochschalten und das Fahren macht mit dem Drehmoment von unten raus mächtig Spass. Ich habe sogar probeweise ein paar mal ohne Kupplung hochgeschalten, MX-Style mässig, und die Gänge klacken sehr sauber rein. Am meisten hat mich das Motorrad auf engen kurvenreichen Strecken beeindruckt wo man ohne Mühe Supersportler vor sich hertreibt auf die man aufläuft. Das ist zwar unfair weil ein Stummellenker einfach nicht die Agilität bietet, aber ok, man möge es mir verzeihen. Da fällt mir übrigens grad ein ... ist der Fahrer eines Naked Bikes dann umgangssprachlich auch ein Naked Biker? ;-) Ok, bin jetzt schon wieder abgeschweift ;-) Klar ist, auf engen kurvenreichen Strecken kann einem mit der 700er Tenere maximal eine Einzylinder Supermoto entwischen.Für die Gebückten unter euch könnte so eine 700er Tenere die einem im Nacken sitzt jedenfalls zu einem echten Albtraum werden.

39 kmh mit der 6.ten
Wegen Drehmoment noch ein paar Sätze ... Mein Kumpel Wolfi, der seit heuer auch eine 700er Tenere fährt, hat mir gesagt dass er mal 60 kmh mit dem 6.ten Gang gefahren ist und danach die Tenere noch hochbeschleunigen konnte. Sapperlot, das hat mich echt beeindruckt und einiges zum Grübeln aufgegeben. Naja, ihr könnt euch sicher denken was jetzt kommt... Ich wollte seine Rekordmarke in einer Ortsdurchfahrt noch toppen und habe das Bike mit dem letzten Gang auf sagenhafte 39 kmh runtergenudelt. Mann, bei dieser Drehzahl hatte sie Spruch wie die Ur-Tenere und ich bin bei diesem 1-Zylinder ähnlichen Geräusch fast ein wenig sentimental geworden. Aber Leute, macht das ja nicht nach! Erstens ist es gar nicht gut für den Motor und zweitens läuft man Gefahr dass er absterben könnte und es einem gewaltig auf die Pfeif'n haut. Aber sie hat doch tatsächlich nach der Ortsende-Tafel brav wieder raufgedreht und beschleunigt. Mein Kumpel Wolfi nahm meinen neuen Rekord übrigens kommentarlos zu Kenntnis als ich ihm davon erzählte. Banause!

Einsatzbereich
Was mir an der 700er Tenere so gut gefällt... du kannst das Bike nehmen um deinen Kumpel am Abend im Nachbardorf zu besuchen oder eine mehrtägige Südtirol-Tour damit machen. Das Bike ist ein tolles Universal-Gerät. Ich bin sogar damit Schwammerlsuchen gefahren. Ok, nicht durch dichtes Gehölz aber zumindest so weit bis es nicht mehr weiter ging ;-) Nein, ich habe nichts gefunden, war aber egal, die Fahrt alleine hat schon für alles entschädigt. ;-)

Fazit Standard Edition der 700er Tenere
Die 700er Standard Tenere macht einen sehr hochwertigen Eindruck. Man bekommt sehr viel Motorrad um verhältnismässig wenig Geld. Der Drehmoment, die Vorderbremse und vor allen Dingen die perfekte Gewichtsaufteilung beeindrucken mächtig. Man kann damit auch engste kurvige Tourenabschnitte mühelos bewältigen. Es macht sogar umso mehr Spass je enger und kurviger es wird. Und wer mal abbiegen möchte Richtung Almhütte auf eine Brettljause ... die 700er Tenere ist das ideale Gerät dafür.

Yamaha Tenere Rallye Edition
Nach der Standard Version übernahmen wir die Rallye Edition ... In die Rallye Edition habe ich mich sofort verliebt. Rot-Weisses Design, Akrachpovic, äh, Akrapovic natürlich, montiert etc... sie steht da ... echt ein Hammer. Was mir auf der Rallye Edition nach den ersten Metern sofort auffiel war der noch stärkere Drehmoment von unten raus gegenüber der Standard-Version. Komischerweise hat sie in der Endgeschwindigkeit dennoch nur 2 kmh mehr auf den Tacho gebracht, also 198 kmh, als die Standard. Aber meiner Meinung nach dreht der Motor von unten raus spürbar stärker und vor allen Dingen freier raus. Sei es der Akrapovic, ein anderes Mapping oder einfach nur die Einbildung von mir, ich kann es nicht sagen sondern hier nur einfach meinen Eindruck wiedergeben. Was mir ebenfalls aufgefallen ist war dass der Lenker etwas schmäler ist und mir ein besseres Handling gegeben hat als der von der Standard-Edition. Oder war die Kröpfung anders, oder der Lenker einfach nur etwas weiter runter geneigt?


Mit der Rallye Edition ging es gleich mal zum Gipfelkreuz auf den Stuhleck

Ich hatte auf jeden Fall definitiv ein besseres Gefühl damit. Was mir auch besonders positiv aufgefallen ist waren die zierlicheren Hebeln die auf der Rallye Edition verbaut sind und von Yamaha auch als Zubehör angeboten werden (Gilles und Billet). Man hat damit ein viel besseres Gefühl beim Kuppeln und Bremsen als mit den Standard-Hebeln. Der Unterschied ist gerade für
mich als Hebelfetischist enorm spürbar. Als langjähriger MX'er bremse ich ja sogar auf meiner R1 mit 1 oder maximal 2 Fingern die Kurven an und da hat man mit einem zierlicheren Hebel ein viel besseres Gefühl als mit einem dicken Standardhebel. Man merkt damit sehr genau ab welchem Zeitpunkt der Vorderreifen zu blockieren und zu rutschen anfängt. Auch habe ich generell, egal mit welchem Bike, während der gesamten Fahrzeit immer einen Finger am Bremshebel. Dies mag jetzt für so manchen Strassenfahrer unter euch ungewöhnlich klingen aber ich habe mir das vor ca. 15 Jahren beim Rennstrecken fahren so angewöhnt und Leute ... ihr könnt mir glauben ... das hat mich vor einigen Unfällen in dieser Zeit gerettet.

Mit diesen hochwertigen Hebeln die bei der Rallye verbaut sind trifft man den Bremspunkt noch weitaus exakter was einem extrem viel Selbstvertrauen im Zweikampf vermittelt. Die Rallye Edition weist auch einen durchgängigen Sitz auf was ein schöneres Gesamtbild ergibt. Sie hat neben dem Akrapovic Slip-on und der grösseren robusteren Schutzplatte auch einen massiveren Kühlerschutz und einen etwas leichteren tubulären Doppelschleifen Stahlrahmen als die Standard laut Infos von Yamaha.

Ich gestehe... Von den 3 Versionen ist dies die Version die mir am Besten gefallen hat. Ich stelle die Rallye Edition um eine deutliche Stufe über die Standard Edition und der Aufpreis von 1.700,- Euros ist es auf jeden Fall wert. Aber ok, ihr könnt ja auch die Standard kaufen und das was ihr haben wollt noch nachrüsten.Das was ihr nicht haben wollt rüstet ihr nicht auf, spart somit etwas eure Geldbörse. Was man auch bedenken sollte wenn man am Überlegen ist, Standard oder Rallye ... man hätte später auch einen höheren Wiederverkaufswert mit der Rallye Edition falls man das Motorrad mal wieder verkaufen möchte. Gesucht und bevorzugt wird am Gebrauchtmarkt immer das Höherwertige und dadurch auch ein wenig mehr bezahlt.

Durch den gefühlt stärkeren Durchzug machte die Rallye Edition auf Supermoto-ähnlichen Streckenteilen noch mehr Spass und man wird damit richtig kurvensüchtig. Sie wechselt sehr leicht von einer Seite auf die andere und lässt sich durch den Drehmoment auf den kurzen Geraden sehr gut aus engen Kurven rausbeschleunigen. Die Rallye ist ein echtes Spassgerät speziell auf wenig befahrenen Nebenstrassen, Bergstrassen, Landstrassen... Es geht mit den 700er Tenere's sowieso ums Fahren selbst, nicht um's Ziel ... Man schaut mit der Tenere nicht auf den km-Zähler sondern lässt sich treiben, von einer Bergetappe in die nächste, egal wohin die Tenere einen führt...

Fazit Rallye Edition
Die Rallye Edition ist eine sehr sportliche Strassenenduro die für alle Bereiche ideal ist. Lasst euch das gemerkt bleiben. Egal ob man sich auf der Autobahn Richtung Sizilien auf den Weg macht, die engen Spitzkehren von Südtirol bewältigt, sich auf Schotterstrassen auf den Almhütten mal eine Brettljause gönnt, oder einfach nur am Nachmittag für 1-2 Stunden die Gegend ohne Ziel erkundet. Ich bin damit bevorzugt auf Nebenstrassen über bergige Abschnitte rund ums Gaberl und Weinebene gefahren. Wenig Verkehr, viel Gegend und ich kann mich nicht erinnern jemals so schöne Eindrücke von Motorradtouren gesammelt zu haben.




Yamaha Tenere World Raid
Wow!!! Das ist ein Bike, der Anblick haut einem echt um!!! Die World Raid vermittelt einem Respekt wie wenn Bud Spencer durch die Tür kommen würde. Steht man vor der World Raid erstarrt man in Ehrfurcht. Man traut sich dem Bike ja gar nicht in die LED Leuchten zu schauen wenn man davor steht! Sie schaut einem an in der Art "Wohin fahren wir? Kalte Kuchl?!?! Und wieso nicht Richtung Afrika???" Ja, das Bike ist eine echte Wüstenkönigin und man fühlt sich damit in Richtung Kalte Kuchl fast wie "Bin ich falsch abgebogen?!".


Andi: "Nein, auch wenn'st noch so jammerst ... wir fahren heute nicht mehr nach Afrika, es wird schon finster ... morgen vielleicht..."

Der 23 Liter fassende Doppeltank hat 2 Einfüllstutzen und verspricht eine Reichweite von bis zu 500 km. Tatsächlich lag ich mit allen 3 Versionen so im Schnitt bei unter 5 Liter auf 100 km. Der Öhlins-Lenkungsdämpfer der World Raid ist für Wüstenfahrten oder langen Schotter High Speed Etappen Gold wert. Solch ein Lenkungsdämpfer reduziert das Lenkerpendeln bei High Speed auf schlechten Strassen enorm. Wenn ihr also mit mehr als 100 Sachen durch die Wüste heizen wollt ist solch ein Lenkungsdämpfer absolut notwendig. Das farbige 5 Zoll TFT Display bietet sogar das Feature mit dem Handy verbunden zu werden. Das ABS ist dreistufig einstellbar und auch das Luftfiltergehäuse ist gegenüber den anderen beiden Versionen überarbeitet. Was auch sofort hervorsticht bei der World Raid ist die hochwertige Kayaba Vordergabel die auch eine andere Eloxierung aufweist als die Standard und Rallye. Die Kayaba Gabel weist auch einen etwas höheren Federweg auf, nämlich vorne 230 statt 210 mm und hinten 220 statt 200 mm. Ja, ihr könnt es euch jetzt denken ... die World Raid ist dadurch auch noch etwas höher als die Standard und die Rallye Edition. Die Sitzbank scheint durch den breiteren Tank im vorderen Teil auch etwas breiter gestaltet zu sein.

Die World Raid ist einfach gemacht für die Wüste und man schämt sich fast mit solch einer Wüstenkönigin auf die Autobahn aufzufahren. Die World Raid sieht mit der Lackierung einfach umwerfend aus. Sie macht den Eindruck wie eine originale Paris-Dakar Replica aus den heroischen 80er Jahren des vorigen Jahrtausends. Damals als noch kurz vor Silvester in Schnee und Regen von Paris gestartet wurde und die Motorradfahrer immer wieder in der Wüste verloren gingen... Damals als Heinz Kinigadner nach einem Defekt seine Yamaha anzündete um für den reitenden Wagen ein spektakuläres Foto von der Dakar mit nach Hause bringen zu können ... Damals als Kini von einem Lokführer in der Wüste verirrt auf einem Kohlenwaggon russverschwärzt ins Ziel mitgenommen wurde... Damals als die Fahrer im Ziel in Dakar aussahen wie magersüchtige Schispringer weil ihnen dir Rallye das Fett von den Knochen gezehrt hat ... Damals ... aber jetzt bin ich wieder abgeschweift, zurück zum Testbericht....


World Raid Edition der 700er Tenere am Niederalpl

Jedenfalls genau dafür steht die World Raid!!! Für Abenteuer, für Ferne, für Offroad, für Wüste. Die World Raid ist jedenfalls zur Zeit das ultimativste Serienmotorrad das Otto-Normalverbraucher für einen möglichen Wüsteneinsatz kaufen können. Wenn man sich den Tank ansieht hat man das Gefühl man könnte vollaufgetankt von Biedermannsdorf ohne Halt zu machen bis nach Dakar fahren. In einem durch, ohne Zwischenstopp! Das alles geht einem durch den Kopf wenn man vor diesem Bike steht.

Man beginnt schön langsam zu verstehen was Yamaha mit diesem Bike bezwecken wollte. Yamaha wollte den Mythos der Tenere nicht verwässern wie es mittlerweile so oft mit anderen Modellbezeichnungen auf grausigste Art und Weise passiert ist. Ich möchte hier keine Beispiele anführen aber das was oft gross drauf steht an Modellbezeichnung ist oft nicht mehr in kleinster Weise drin enthalten. Yamaha wollte mit der World Raid keine gendergerechte Weitstreckenenduro mit Binnen-I bauen.Dieses Motorrad kann man nicht gendern! Habt ihr das verstanden? Man hat bei jedem Aufsteigen das Gefühl man könnte auf der World Raid ohne Stopp bis nach Kapstadt fahren. Mit der World Raid gibt es kein Limit, egal in welche Richtung du den Lenker einschlägst. Aber kommen wir zu den Fahreindrücken ...

Der breite Tank ist nicht nur imposant sondern schützt auch besser vor dem Fahrtwind als die anderen beiden Versionen. Die Beine sind quasi hinter dem Tank sehr komfortabel geschützt was auch bei Regen ein Vorteil ist soferne man sein wasserdichtes Teletuppy Kostüm noch nicht angezogen hat. Das farbige Display ist sehr schön gestaltet und vermittelt einem bei jedem Blick den Hauch von Hi-Tech.

Fahrgefühl
Man sitzt auf der World Raid oben wie ein König auf seinem Thron. Fährt man in den Ortschaften an den Sitzgärten der Kaffeehäuser vorbei kommt es einem vor als ob man zu seinen Untertanen runterschaut. Das Bild das man abgibt auf so einem imposanten Bike ist echt ein Hammer. Ich schwöre, ich bin noch nie ein Motorrad gefahren wo sich beim Vorbeifahren soviele Leute umgedreht haben als mit der World Raid. Das Bike ist echt was Besonderes und unterscheidet sich durch den riesigen Tank, der extremen Höhe und dennoch sportlichen Design komplett von allen anderen Reiseenduro's. Wobei die Bezeichnung Reiseenduro für die World Raid fast schon beleidigend, weil viel zu normal, ist ...

Aber Vorsicht, es gibt bei diesem Bike auch eine Tücke und das ist wenn man z.B. vollgetankt auf engen Supermarkt Parkplätzen um 90 Grad Kurven herum tuckert. Man merkt den vollen Tank ab einer Geschwindigkeit von ca. 40 kmh aufwärts überhaupt nicht. Beim extrem langsamen Fahren, z.B. Abbiegen an der Ampel wo Fussgänger noch drüber gehen, sollte man aber aufpassen. Der Kippeffekt der World Raid ist stärker vorhanden als bei der Standard und Rallye, es sind doch einige kg mehr an Gewicht am Tank vorhanden. Aber es gibt eine einfache Lösung hiefür, falls euch das stört ;-) Ich selbst habe das Bike nur selten vollgetankt, was ich aber übrigens auch bei den anderen beiden Editionen gemacht habe. Wenn ich vor hatte auf enge kurvige Strassen zu fahren hat man mit einem halbvollen Tank ein spürbar besseres Handling. Alle 3 Bikes fahren sich somit viel leichter und wendiger wenn sie nicht vollgetankt sind. Und bei dem geringen Benzinverbrauch der Tenere komme ich mit 10 Liter auch 200 km weit. Also wieso randvoll anfüllen? Und wenn man sich wirklich mal auf den Weg nach Dakar oder Südtirol machen möchte ... dann ist es natürlich klar, dann macht man die Tanks brettlvoll.

Und das Beste an der World Raid? Es gibt sie bereits ab den Hammerpreis von 13.899,- Euro was für eine echte Wüstenenduro geradezu ein Schnäppchen ist.

Fahrwerk
Das Bike liegt extrem gut. Ich bin so gut wie in jedes Schlagloch gefahren das mir untergekommen ist und die Tenere steckt dies erstaunlich gut weg. Auch in schnellen Kurven kann einem eine Bodenunebenheit nichts anhaben. Dies resultiert sicher auch aufgrund des satten Gewichtes der 200 kg. Es gab während der 2-3.000 km die ich gefahren bin mit allen 3 Varianten niemals eine Situation wo ich mir gedacht hätte da oder dort wäre das Fahrwerk nur annähernd an den Grenzen angelangt. Beim harten Anbremsen von Kurven, genau so wie in der Schräglage selbst oder beim Rausbeschleunigen vermittelt das Fahrwerk einen extrem guten Eindruck. Das Fahrwerk ist sicher auch ein wichtiger Grund dafür wieso man sich auf kurvenreichen Strassen vor angreifenden Naked Bikes nicht fürchten muss, da kann man ruhig dagegen halten.

Fazit aller 3 Varianten der 700er Tenere
Da muss ich etwas länger ausholen. Wer wie im Wohnzimmer 1.000 km nach Sizilien auf der Autobahn gondeln möchte für dem ist eine Goldwing oder BMW sicher das bessere Motorrad. Allerdings frage ich mich ob man da nicht gleich den Autoreisezug nehmen sollte.


Rallye:"Auf welchem Berg fahren wir als nächstes?"

Wer hingegen das Abenteuer sucht, auch mal öfters auf Schotterstrassen abbiegen möchte oder gerne auf engen kurvigen Strecken im Landesinneren fährt, für dem ist die Tenere Modellpalette genau das Richtige. Die Tenere's sind sportliche Kurvenflitzer, super ausbalanciert mit sehr ausgewogener Gewichtsverteilung und machen auch auf längeren Touren mächtig Spass. Während sich eine 1200er Reiseenduro ächzend um die Kurven wuchtet cruised man mit der Tenere 700 entspannt nebenher und kann sich voll und ganz auf die wunderbare Aussicht konzentrieren. Der Unterschied zwischen einer 1200er Reiseenduro und der 700er Tenere ist wie einen Mercedes-SUV gegen ein Rally-Auto zu vergleichen. Es macht einfach viel mehr Spass agil und leicht unterwegs zu sein. Die 700er Tenere bietet einen immensen und fast konkurrenzlosen Anwendungs- und Spassbereich.

Egal ob man schnell mal auf eine Almhütte auf eine Brettljause fährt, ob man nachmittags für einige Stunden mit Jeans und Pullover auf abgelegenen Landstrassen die umliegende Gegend erkundet, oder ob man eine mehrtägige Südtirol-Motorradtour in Begleitung von wuchtigen schnaufenden Tuttelbären in Angriff nimmt... Mit der 700er Tenere hat man immer das richtige Motorrad zur Verfügung.

Was?! Tuttelbären kennt ihr nicht?? Jetzt reicht's aber! Ihr fährt noch nicht so lange Motorrad, oder?

Zum Link von Yamaha mit weiteren Infos der 3 Modelle:
www.yamaha.at

Text: Andi Radolf
Foto: Andi Radolf & Wolfi Freistätter