Vorstellung der 2020er Yamaha Tenere 700
Text: Andi Radolf 
Fotos: Andi Radolf, Akim Kohlmayr, Yamaha 

Yamaha Tenere 
Was für ein Motorrad ... und was für eine Geschichte dahinter ... 
 
 

Anfang der 80er des vorigen Jahrtausends war noch einiges anders als heute. Neonfarben waren top aktuell, Jacky Vimond fuhr in rosaroter MX-Mode allen um die Ohren ... ok, nicht allen, Spielverderber Heinz Kinigadner hat ihm 1984 im 250er Titelkampf auf Platz 2 verwiesen. Auf Zigarettenpackungen waren noch Kamele abgebildet und der Marlboro Man ritt auf FS1 noch in den Sonnenuntergang. Ihr kennt FS1 oder den Marlboro Man nicht? Naja, macht nix, ist nicht so wichtig ... 

Damals brachte Yamaha eine legendäre Offroad-Maschine auf den Markt, die Yamaha Tenere 600, mit riesigem 30 Liter Tank. Man brauchte also quasi nur 1-2 Mal im Jahr tanken ;-). Diese Einzylinder Bikes hörte man schon von Weitem heranhämmern und waren damals der absolute Inbegriff von Freiheit und Abenteuer. Damals waren in Österreich auch noch die Strassen in schlechterem Zustand als heute und so manche Landstrasse zwischen 2 Dörfern unasphaltiert. Mit solch einem Motorrad war man also dafür bestens gerüstet und seinen Kumpel im Nachbardorf zu besuchen machte mit solch einem Offroad-Bike mächtig Spass. Ausserdem hatte man dabei das Gefühl mit einem vollgetankten 30-Liter Tank ohne anzuhalten um die halbe Welt fahren zu können.

Tenere 
Das Wort Tenere stammt übrigens aus der Sprache der Tuareg und bedeut "Land da draussen" bzw. "Wüste". Die Tenere ist ein Wüstenabschnitt durch welche die Paris Dakar bis in die 2000er Jahre durchführte und Yamaha nahm sie als Modellbezeichnung für deren Enduro her welche 1983 erstmals auf den Markt kam. Der eigentliche Durchbruch und grosse Erfolg der Tenere gelang als diese durch die Zuverlässigkeit das Lieblingsmotorrad von Privatfahrern bei der Rally Paris Dakar wurde. Wenn man damals mit einer serienmässigen Tenere mit Privatbudget sogar bis nach Dakar kam, kam man überall hin wurde einem durch die Fernsehbilder vermittelt. Und jeder motorradfahrende Stoppelbartträger wollte so eine Tenere haben, und wenn er sie auch nur für den Weg zum Badeteich nutzte ;-) 
 
 

 

Ok, aber kommen wir zum Eigentlichen. Erster Eindruck des neuen schlanken 700er Wüstenschiff ... 
Hoch, schlank und wendig wären die ersten Worte die uns bei der 700er Tenere einfallen würden. Das Cockpit ist im Rallye-Stil gehalten, mit einem grossen Display in der Mitte und gut erreichbaren Knöpfen am Rand. Der Lenker ist sehr breit, für Offroad-Verhältnisse ideal, der 16 Liter Tank ist sehr schmal gehalten was der Sitzposition sehr zugute kommt. Die Bodenfreiheit ist mit ca. 24 cm sehr gross bemessen was für wilderes Terrain natürlich ideal ist. Vorne ist eine Upside-Downgabel verbaut welche die Schlaglöcher auf Schotterstrassen sehr gut schluckt. Insgesamt wirkt das Bike sehr ausgewogen, sobald es in Bewegung ist fühlen sich die vollgetankten 200 kg die man unter sich hat gar nicht mal so schlimm an.  

Die 700er Tenere kommt als Zweizylinder auf den Markt mit einem CP2 Motorkonzept. Der Motor läuft extrem ruhig, fast schon zu ruhig. Auf längeren Touren ist der ruhige Motorlauf natürlich ein grosses Plus, allerdings fehlt einem das Hämmern ein wenig wenn man mal in früheren Zeiten eine Ur-Tenere gelenkt hat. 
Der Scheinwerfer weist 4 LED-Scheinwerfer auf und leuchtet nachts extrem stark. Damit könntet ihr jeden Dschungelpfad taghell ausleuchten und Elefanten, Löwen und Python's mit der Lichthupe verscheuchen. Der Windschild bietet eine gute Luftabweisung sodass ihr auch nach längeren Autobahn-Sektionen keinen Orthopäden braucht.
 

Ab auf die Schotterstrassen 
Wir suchten mit der Tenere den direkten Weg ins Offroad und so haben wir auf ziemlich jeder Schotterstrasse im Umkreis von 50 km unsere Spuren hinterlassen. Es gibt übrigens gar nicht mal so wenige in der Steiermark die man noch öffentlich und legal zu Almhütten etc. befahren kann, teilweise sogar auf bis zu 1.500 m Seehöhe rauf. Die 700er Tenere auf Schotterstrassen zu bewegen macht trotz ihrer 200 kg mächtig Spass. Klar kann man sie mit einer 100 kg Hardenduro nicht vergleichen aber sie ist trotz ihres Gewichtes auch in engen Kurven sehr wendig und agil. Die 74 PS lassen sich gut auf den Schotterkurven rausdriften, man sollte die Power aber nicht unterschätzen zumal die nächste Kurve oft schneller kommt als man denkt. Die Bremsen agieren sehr gut, das ABS lässt sich für Offroad-Einsätze abschalten was auf losem Untergrund sehr empfehlenswert ist. Der Motor zieht sehr gleichmässig von unten rauf an und braucht bei Low Shifting auf längeren Strecken auch so gut wie keinen Sprit. Das wenigste war unter 4 Liter auf 100 km was sie gebraucht hat. Das Getriebe lässt sich sogar sehr gut ohne Kupplung raufschalten. Sorry Tenere, aber wir konnten es nicht lassen, haben es einfach versuchen müssen ob das geht ;-) 
Was das Schöne an so einer leichten Strassen-Enduro ist ... auch die Verbindungsetappen auf Asphalt machen damit jede Menge Spass. Wo eine 20 km Asphaltfahrt zwischen 2 Schotterstrassen mit einer Hardenduro eine absolute Quälerei für den Fahrer ist, sind solche Abschnitte mit der Tenere ein Genuss. 

Asphalt 
An einem sehr heissen und schönen Sommertag war eine grössere Ausfahrt von knapp 400 km geplant. Gaberl, Sölkpass, Gesäuse, Wildalpen, Seeberg usw. Alles was die schöne Steiermark so hergibt ;-) Man  kann sehr entspannt die engen Kehren Richtung Sölkpass rauf cruisen. Oben am Sölkpass angekommen taten uns die Big-Reiseenduros echt leid. Wie sich da so manche 1200er Tuttelbären um die engen Kehren rumgequält haben war erschütternd. Um 250kg+ Elefanten zu überreden in Kurven von engen Radien bergauf zu fahren gehört schon viel Überredungskunst dazu. Leid taten mir auch die vielen Sozius-Fahrerinnen auf Superbikes die uns entgegen kamen.... die sitzen ja wie die Erdmännchen auf den Supersportlern hinten oben.. 

Poah, Sölkpass im August ... was für eine schöne Gegend !!!
 
 

Der Rahmen der 700er Tenere ist ein tubulärer Doppelschleifen-Stahlrahmen in Leichtbauweise. Die vordere Upside-Downgabel mit 43mm Durchmesser kann man wie den hinteren Dämpfer auf sehr einfache Weise auf seine Bedürfnisse und je nach Streckenbedingungen einstellen. Beim hinteren Dämpfer ist sogar ein handliches Handrad dazu verbaut welches das unkompliziert möglich macht. Serienmässig kommt die Tenere mit Offroad-Strassenreifen auf den Markt. Das leichte Offroadprofil reicht für Schotterstrassen locker aus und bietet auch auf Asphalt guten Kurvengrip. Interessant wäre es auf der Tenere Supersportreifen zu montieren, man hätte damit auf Asphalt sicher eine ultimative Schräglage und Handling, würde sie wohl zur Kurvenkönigin unter den Reiseenduros machen.
 

Yamaha hat übrigens diesen Herbst auch eine Rallye-Version der 700er Tenere in den Handel gebracht. Mit Akrapovic Slipon Auspuffanlage, Motorschutz, Rallyesitz, extra Kühlerschutz etc. Diese ist in den Gauloises Farben hellblau und gelb gehalten und sieht einfach mega aus. Der etwas höhere Listenpreis von 12.399,- würde sich bezahlt machen zumal die Tenere nach wie vor eine sehr grosse Fangemeinde hat und der Wiederverkaufswert solch einer Limited Edition sich bezahlt machen würde.
 
 

Fazit 
Mit der 700er Tenere bekommt man viel Motorrad für wenig Geld. Die 700er Tenere kostet mit dem Listenpreis von Euro 10.699,- weniger als so manche Hardenduro mit halb soviel Kubik. Gegenüber einer Big Reiseenduro sind die Anschaffungskosten nur ca. die Hälfte. Mit der 700er Tenere habt ihr ein Motorrad welches nicht nur auf Schotterstrassen oder leichtem Gelände mächtig Spass macht sondern auch für längere Urlaubstouren Richtung Südtirol oder nur für die Fahrt zum Badeteich sehr gut geeignet ist. Mit über 70 PS und über 200 kmh Höchstgeschwindigkeit seid ihr auch auf längeren Motorradtouren den Big Reiseenduros nicht unterlegen. Und wenn es dann auf Serpentinen sehr eng und kurvig wird seid ihr mit so einer schlanken 700er Tenere den 1200ern um eine Riesennasenlänge voraus. Wir würden mal so sagen, ihr habt die Hälfte an Anschaffungskosten gegenüber einer Big-Enduro aber mindestens das Doppelte an Spass ;-) 
 
 

Mehr Infos über die neue 700er Tenere von Yamaha findet ihr auf www.yamaha.at 
 

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