2014er Yamaha YZ 450 F Test in Italien
Text: Andy Radolf
Rider: Philipp Buchegger
Fotos: Massimo Zanzani, Ray Archer

Vor Kurzem bekamen wir einen Anruf von Yamaha Österreich... ob wir die neue 450er YZF in Italien testen wollen?!?! Naja, es könnten einem schon schlechtere Nachrichten erreichen. Z.B. "Guten Tag, hier spricht die Polizei. Ihr als gestohlen gemeldetes Motorrad wurde wieder gefunden. Es befindet sich in Einzelteilen auf ebay. Die jeweiligen Startpreise sind sehr niedrig und die Versandkosten aus Rumänien nicht so hoch. Geben Sie uns ihre email, wir mailen Ihnen die Links zu ..." oder ähnliches ...

Aber nicht nur dass wir nach Italien, das Land der schönen Frauen, der leckeren Pizza's, der unverkennbaren cremigen Capuccino's usw. fliegen dürfen ... nein, wir sind auch noch das einzige österreichische Medium welchem diese Ehre zuteil wurde. Diese Wertschätzung hatte uns eigentlich fast noch mehr gefreut und alleine deswegen schon konnte unser Test-Rider Philipp Buchegger unmöglich Nein sagen ausser vielleicht ...
- Rihanna hätte ihn bei ihrem Österreichkonzert in ihre Suite als Ehrengast eingeladen, abgeknutscht und nicht mehr losgelassen
- Didi Mateschitz hätte uns angerufen, uns den Red Bull Ring samt seinem Schaufelbagger geschenkt mit welchem wir dann sofort den Asphalt runtergekletzelt und eine supergeile MX-Strecke stattdessen hingebastelt hätten
- mindestens 20 Monster Energy Girls hätten Philipp in einem Sturmangriff am Flughafen am Abflug gehindert und er hätte kapituliert
- ... oder andere extrem wichtigen Dinge wären plötzlich passiert ...

Die 2014er YZ450F wartet in Santa Barbara auf ihren Test 

Nur 16 eingeladene Journalisten aus ganz Europa und wir waren dabei!!!
Nachdem dies aber glücklicherweise (oder leider) nicht der Fall gewesen ist war es natürlich klar dass wir bzw. Philipp sich nach Florenz auf die Socken machten um der nagelneuen 450er YZF auf den Zahn zu fühlen. Insgesamt waren zu diesem Test nur 16 europäische Journalisten eingeladen. Philipp:"Unter den anderen 15 europäischen Journalisten war übrigens auch der Ex-WM Fahrer Didi Lacher. Ich kenne Didi ja schon seit meiner 85er Zeit und besuchte einige MX-Lehrgänge von ihm. Als Strafe wenn wir nicht aufpassten liess er uns damals immer Liegestützen machen. Ich habe heute noch Muskelkater davon und wollte mich beim Yamaha Test auf der Strecke mit einem Blockpass revanchieren... aber der Kerl war zu schnell..." 

1998 - das Jahr der MX-Revolution, ausgelöst von der YZF 400 4-Takt
Der Yamaha Test, wir durften ja schon vor 2 Jahren exklusiv Frossard's WM-Werks Yamaha in Mantova probe fahren, lief auch etwas anders ab als die Tests anderer Hersteller. Die neue 2014er 450er wurde einem schon im Hotel derart exklusiv präsentiert dass man das Gefühl hatte sie wäre extra für uns maßgeschneidert worden. Man könnte sagen man ist seitens Yamaha generell extrem bemüht die Bikes auf ihre Kunden zuzuschneidern. Man hat den Eindruck Yamaha möchte sich deutlich von der Masse abheben, etwas Exklusiveres, Besseres, Hochwertigeres als die Konkurrenz für den Otto-Normal Motocrosser in Serienfertigung anbieten. Man darf nicht vergessen, Yamaha hat vor 15 Jahren, im Jahre 1998, im Sportbereich regelrecht eine Revolution ausgelöst. 1998 hat Doug Henry mit der YZF 400 das geschafft was damals unmöglich erschien. Nämlich mit einer 4-Takter ein Supercross Rennen in den USA zu gewinnen. Niemand, wirklich absolut niemand, hielt das damals für möglich was Doug Henry und Yamaha schafften. 1999 holte man sich mit der 500er Version der YZF in der WM auch gleich noch den 500er WM-Titel als Draufgabe. Diese Klasse war damals die Königsklasse, nur damit euch das klar ist. Zahlreiche WM-Titeln von Everts, Cairoli, Erfolge in den USA mit Reed, Stewart mit den YZF's usw. waren danach die Folge und die blauen Crosser aus Japan festigten ihren legendären Ruf. 

 

Endlose Wartezeiten für eine YZF 400
Die Wartezeit für eine YZF 400 war 1998 ca. ein 3/4 bis ein volles Jahr nachdem man den Kaufvertrag unterschrieben und bezahlt hatte und dennoch nahmen die Kundschaft dies gerne in Kauf da das Bike einfach einzigartig war. Ich kann mich noch gut erinnern wie sich ein Kumpel von mir bei einer Motorradmesse in Graz neben der rot-weiss-schwarzen YZF fast hingekniet hat um Motorrad Klug das Ausstellungsstück abzuschwatzen. Aber nix da, Herr Klug blieb hart, schüttelte mit dem Kopf und so musste auch er ein dreiviertel Jahr warten. Die ersten rot-weiss-schwarzen 400er YZF's hätten übrigens heutzutage sicher einen grossen Sammlerwert. Kein Wunder dass Sammlerfuchs Tom Egger darauf scharf ist. Wir übrigens auch ;-) Mal schauen wer zuerst eine ergattert...
 
Yamaha hatte schon immer einen starken Hang zur Perfektion, legte auch immer sehr viel Wert auf die Haltbarkeit und Qualität ihrer Bikes. In den letzten Jahren holte die Konkurrenz allerdings gewaltig auf. Man war gezwungen sich etwas Neues einfallen zu lassen und so kam es zu dem 2010er Modell wo der Motor nach hinten geneigt designed wurde. Ebenfalls wurde der Auspuff vom Motor direkt nach hinten rausgeführt. Ziel war es die Massen zu zentralisieren, den Schwerpunkt des Bikes in die Mitte zu bringen und beim neuen 2014er Modell wurde dies noch weiter vorangetrieben.

Aber kommen wir zum Test...
Wie ernst und ungemein wichtig Yamaha die neue 2014er YZ450F ist, zeigte auch die Tatsache dass bei diesem Test einige Manager, Techniker und Entwicklungschef extra aus Japan anreisten um den Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Z.B. YZF Entwicklungschef Tamura-san sowie Itou-san (Projekt Leiter Entwicklung) und der technische Manager Kei-san waren vor Ort und haben die Testfahrten der Journalistenmeute mit Argusaugen beobachtet. Aber sie konnten sich zurück lehnen. Die YZF wird bei den 2014er Modellen ganz vorne dabei sein, davon war jeder Testfahrer schon nach wenigen Runden auf dem MX-Track 100%ig überzeugt...

Anreise
Philipp:"Die neue 2014er YZF 450 testen zu dürfen war natürlich ein Hit. supercross.at-Cheffe Andy Radolf hat mir auch angekündigt dass nach dem Flug nach Florenz ein scharfes Leihauto auf mich warten würde. Eines das mit "F" anfängt und rot oder schwarz ist, hmmmm, sogar ein Ferrari vielleicht??? Aber ich hätte es mir denken können ... Ich musste am Flughafen sogar die Rücksitzbank des 500er Fiats umlegen um meine MX-Tasche verstauen zu können. 

Vorm Hotel in Santa Barbara, ca. 50 km von Florenz entfernt, sah man dann schon von weitem die Yamaha Flagge wehen. Yamaha hat sich bei der Unterbringung der Journalisten und der Präsentation der neuen 450er wirklich alle Mühe gegeben. Die neue 450er YZF wurde uns am Abend im Hotel noch ausführlichst vorgestellt, danach ging es zum Lunch wo ich gegen Didi Lacher das Wettessen des 10 Gänge Menü's knapp für mich entscheiden konnte. Ich hatte danach echt fast ein wenig Angst dass er mir sagen würde "Jetzt machst aber sofort neben dem Tisch 20 Liegestützen als Strafe so wie du gevöllert hast ..."

Auf gehts zum Cross Park
Am nächsten Tag fuhren wir dann nach dem Frühstück im Konvoi auf die Strecke des Cross Park's in Santa Barbara die uns an diesem Tag exklusiv zur Verfügung stand. Die MX-Strecke dort ist echt wunderschön in die toskanische Landschaft eingebunden, einfach ein Traum. Der Boden war zwar trotz sehr guter Bewässerung etwas hart, die Sprünge dafür wunderschön angelegt und sehr weit. Die Strecke war auch durchgehend sehr breit. Als Fotografen waren übrigens die beiden WM-Fotografen Massimo Zanzani und Ray Archer anwesend. Vor 2 Sattelschleppern des Monster Energy Yamaha Teams standen acht 450er YZF's bereit und ich wusste somit dass Träume in Erfüllung gehen können. Allerdings waren nur 6 der 8 450er zum Testen gedacht, 2 davon nur als Präsentation ausgestellt. 

Eines von den 6 Testbikes war statt blau im Sport-Design rot-weiss gehalten. Jeder Journalist hatte 4 Turns zu 20 Minuten zur Verfügung. Den ersten der 4 Turn's musste jeder Journalist auf Wunsch von Yamaha mit dem voreingestellten Werks-Standard-Setup fahren mit dem sie auch an die Yamaha Händler ausgeliefert werden. Beim zweiten Turn wurden die 450er fahrwerksmässig und vom Mapping her so eingestellt wie es die Techniker vor Ort für die Strecke in Santa Barbara für richtig hielten. Die letzten beiden Turns konnte man sie von den Technikern so einstellen lassen wie man es selbst für richtig hielt.

Ebenfalls waren vor Ort 3 WM-Motorräder von Yamaha ausgestellt. Eines der historischen WM-Bikes war das von Bartolini, das andere war ein WM-Bike von Stefan Everts. Das dritte WM-Bike war die aktuelle WM-Rakete von Frossard. Ich konnte meine Blicke von Froassards Bike kaum lösen, schlich auch den ganzen Tag darum herum dass die Leute vor Ort schon misstrauisch wurden ... und es stimmt, ich möchte es nicht verleugnen. Ich machte mir tatsächlich Gedanken wie ich es in einem unbeobachtetem Moment schaffen könnte Frossard's WM-Bike in den 500er Fiat zu bekommen. Ich gab diese Überlegungen dann aber am späten Nachmittag frustriert auf, ich denke ich werde nächstes Mal auf eigene Kosten einen Bus mieten ;-)"

Erster Eindruck von der neuen 450er YZF
Philipp:"Den ersten Turn musste ja jeder Journalist mit dem Standard-Setup bestreiten. Dabei fiel mir auf dass sie für die vorherrschenden Streckenbedingungen fahrwerkmässig fast ein wenig bockig reagierte. Bei der neuen Federgabel setzt man bei der YZF 450 übrigens auch noch auf ein herkömmliches bewährtes closed Cartridge System von Kayaba. Sofort fällt einem auch die starke Kröpfung des serienmässig montierten Renthal Lenkers auf. Die Kröpfung ist ähnlich wie der des berühmten Ricky Carmichael Lenkers den er quasi erfunden hat. Carmichael war was Lenker anbelangte ein irrsinnig sensibler Mensch. Als er zu Honda wechselte testete er nach einem National Race auf der komplett zusammen gefahrenen Strecke 2 volle Tage nur Lenker, es waren knapp 30 die er ausprobierte und sich letztendlich entschied. Allerdings kann man den Lenker auf der Yamaha auch etwas weiter vorne montieren, da sind 2 Positionen serienmässig möglich, und man hat so eine Alternative ihn vom Körper weiter weg zu platzieren falls einem die Kröpfung zu stark ist. Für mich war es anfangs etwas ungewohnt. Was ebenfalls bereits beim Anbremsen der ersten Kurven auffällt ist dass die Vorderbremse sehr sanft anzieht. Dies bietet vor allem Vorteile wenn man die Bremsleistung feiner dosieren möchte. Man muss halt nur wenn einem der Bremsweg ausgeht etwas kräftiger in die Eisen greifen. Dafür kommt ein Wegrutschen des Vorderrades beim Anbremsen sicher seltener vor.

Bezüglich des Motors fällt einem sofort auf dass er sich irrsinnig leicht schalten lässt, die Gänge klicken nur so rein. Das Drehzahlband des Motors könnte sich besser nicht entfalten. Sehr sanft von unten raus und auf dem Weg in die höheren Drehzahlen sehr dosierbar. Beim letzten Abschnitt, also wenn der Motor die höheren Drehzahlen erreicht kommt natürlich die Kraft des 450er Murls so richtig zum Vorschein. Aber dennoch nicht explosiv, immer noch sehr gut beherrschbar.

2.ter Turn
Beim zweiten Turn wurden die Motorräder den Journalisten so eingestellt wie es die Techniker von Yamaha für diese Streckenbedingungen empfehlen. Dabei wurde auch ein anderes Mapping raufgeladen. Dies geht sehr schnell mit einer Art kleinen Pocket PC der die Bezeichnung MX Power Tuner trägt. Der Vorteil bei dieser Lösung von Yamaha mit dem eigenen kleinen Gerät ist der dass man das individuelle Mapping zur Gänze darauf selbst zusammen stellen kann. Man braucht dafür keinen eigenen Laptop oder PC wo die Software erst dafür installiert werden muss wie bei manch anderen Herstellern. 

Bei dem zweiten Turn war das bockige Verhalten auch wie weggeblasen. Man hat damit gesehen wie extrem wichtig die individuelle Einstellung für die jeweilige Strecke beim Fahrwerk ist. Beim dritten und vierten Turn hatte man danach freie Wahl bezüglich Mapping und Fahrwerkseinstellungen. Hier habe ich mich für ein sanfteres Mapping entschieden da die Strecke aufgrund des harten Bodens etwas rutschig war. Damit kam ich als eigentlicher 250er Fahrer noch besser zurecht.

Gewichtszentralisierung ist das As in der Pokerhand von Yamaha
Was mich an der neuen 450er YZF aber am meisten fasziniert hat war dass das Gewicht sehr in die Mitte zentralisiert ist. Dazu hat man ja seit 2010 bei der 450er eigens den Motor nach hinten geneigt verbaut. Auch der Auspuff geht seit 2010 vom Motor weg nach hinten raus. Sieht natürlich auf den ersten Blick etwas ungewohnt aus aber es hat zweifellos seine Vorteile. Auch der Tank wurde in die Mitte verlegt, man sitzt jetzt also quasi auf dem Tank mittig drauf. All diese Dinge tragen zu einem Fahrgefühl und einer Wendigkeit bei wie man es von anderen Motorrädern her nicht kennt. Das Motorrad liegt somit extrem zentriert, fällt sozusagen von selbst in die Kurven rein und ist damit deutlich wendiger gegenüber Bikes anderer Hersteller. Auch beim Springen oder über Whoops wirkt sich diese Gewichtszentralisierung von Yamaha sehr positiv aus. Der Auspuff liegt sehr eng am Motor und innerhalb des Rahmens an und kann somit bei einem Sturz auch nicht so leicht zu Schaden kommen. Ebenfalls wurde der Auspuff vom hinteren Dämpfer weiter weg verbaut um diesen nicht zu erhitzen. Der Krümmer aus dem Motor raus schlängelt sich jetzt quasi um den Motor, nicht mehr um den Dämpfer rum. Der Auspuffdämpfer ist auch extrem kurz gehalten, er ist sicher der kürzeste Dämpfer von allen MX-Bikes im 2014er Jahr.

Da wo der Tankdeckel üblicherweise ist fehlt er bei der YZF 450, da ist nämlich der Luftfilterkasten verbaut. Der Luftfiltertausch wird deshalb auch sehr vereinfacht. Mit 3 Schrauben ist der Luftfilterdeckel herunten und man braucht keine Fingerverrenkungen vollführen um den Luftfilter irgendwie reinwursteln zu können wie bei anderen Bikes. Getankt wird das Bike indem man die Sitzbank vorne auf einer Länge von ca. 15 cm zurückklappt und sich darunter der Tankdeckel befindet. 

 

Fazit
Was mich besonders an der neuen 2014er YZF faszinierte war dass das Fahrwerk ausgehend vom Standardsetup bereits mit wenigen Klicks komplett anders arbeitet. Man kann somit durch sehr wenig Aufwand das Bike auf jede denkbare Strecke sehr gut einstellen. Was mir ebenfalls stark aufgefallen ist war auch wie ruhig der Motor lief. Nicht nur von der Dosierbarkeit, selbst von den Vibrationen her hat man das Gefühl der Motor läuft viel ruhiger und sanfter als der von anderen Bikes. Selbst für Hobby- oder 250er Fahrern wird die Eingewöhnungsphase in die neue 450er YZF deshalb sehr kurz sein. Der grösste Vorteil der YZF ist aber die Massenzentralisierung. Hier hat Yamaha einen Vorteil auf welchen andere Hersteller auf Dauer kaum verzichten werden können. Das Motorrad liegt dadurch extrem neutral und die Wendigkeit wird dadurch sehr erhöht. 

Die neue 450er wird es bereits im Juli noch bei den Yamaha Händlern zu kaufen geben. Die komplett neue 250er YZF (mit Einspritzung und ebenfalls nach hinten geneigtem Motor) wird erst im November auf den Markt gebracht. 

einige Eckdaten der neuen 450er YZF
- die Motorleistung wurde erhöht
- das Motorgewicht weiter reduziert
- die Massen wurden noch weiter in die Mitte zentralisiert, Schwerpunkt ebenfalls weiter nach unten verlagert
- Nass-Sumpf Schmierung
- grössere Ventile
- neues Kolbendesign 
- neuer Auspuff
- neue Kupplung mit verstärkten Federn
- der 1.te Gang ist länger als beim alten Modell
- 3.te Gang ist kürzer
- der Tank hat jetzt 7,5 anstatt 6,2 Liter
- komplett neuer Rahmen der auch bei der 250er zum Einsatz kommen wird
- neue 48mm Kayaba Federgabel
- grössere Vorderachse
- 111 kg

Link zu weiteren Infos auf www.yamaha.at: - hier klicken

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